idea  37/ 2025 Christen   in   Indien   leben   gefährlich.   Gewalt   und gesellschaftlicher   Druck   nehmen   seit   Jahren   zu. IDEA-Redakteurin    Erika    Gitt    sprach    mit    dem Leiter    der    Evangelischen    Allianz    in    Indien, Vijayesh     Lal,     über     die     Ursachen,     aktuelle Entwicklungen – und die Hoffnung der Christen. IDEA:       Jedes       Jahr       veröffentlicht       die Evangelische      Allianz       in       Indien       einen Jahresbericht   zur   Gewalt   gegen   Christen   in Indien. Was beobachten Sie? Lal:        Laut        unserer        Kommission        für Religionsfreiheit   meldeten   Christen   im   vorigen Jahr    über    840    Übergriffe,    640    davon    konnten wir   verifizieren.   Das   ist   die   höchste   Zahl   seit Beginn    der    Erfassung    solcher    Vorfälle.    Zum Vergleich:   Vor   zehn   Jahren   waren   es   noch   147 Fälle.   Der   Trend   scheint   sich   2025   fortzusetzen:   Bis Juli gab es bereits 334 Übergriffe. Was    sind    die    größten    Herausforderungen    für Christen in Indien? Körperliche Angriffe   und   Drohungen   sind   an   der Tagesordnung,   besonders   auf   dem   Land   und   in Stammesgebieten.    Aufgebrachte    Mobs    stören häufig    Gottesdienste.    Pastoren    und    einfache Christen         werden         aufgrund         falscher Anschuldigungen verhaftet und schikaniert. Die     Strafverfolgungsbehörden     greifen     oft nicht    ein,    oder    sie    unterstützen    die    Täter vereinzelt   sogar   aktiv.    Viele   Christen   erleben soziale      Ausgrenzung      und      Druck,      ihrem Glauben            abzuschwören .            Christliche Einrichtungen   wie   Schulen,   Krankenhäuser   und Wohltätigkeitsorganisationen    sehen    sich    einer verstärkten     Kontrolle     und     Einschränkungen ausgesetzt.    Es    herrscht    eine    Atmosphäre    der Angst. Warum haben die Christen Angst? Dahinter    steckt    unter    anderem    die   Agenda der     sogenannten     Hindutva .     Die    Anhänger dieser   politischen   Ideologie   kämpfen   für   einen rein    hinduistischen    Staat.    Sie    wird    nicht    nur durch          die          seit          2014          regierende hindunationalistische      Partei      BJP      gefördert, sondern auch durch andere Hindutva-Gruppen. Wie    schlägt    sich    die    nationalistische    Agenda nieder? Beispielsweise           haben           Hasskampagnen zugenommen.   Falsche   Anschuldigungen   gegen Christen    in    der    öffentlichen    und    politischen Debatte   häufen   sich.   Nicht   selten   werden   dafür die        sogenannten        „Antibekehrungsgesetze“ missbraucht.     Sie     sollen     eigentlich     religiöse Bekehrungen    regeln.    Tatsächlich    aber    werden Christen      danach      der      Missionierung      oder Zwangsbekehrung   beschuldigt   und   entsprechend bestraft.   Erst   Ende   August   hat   der   Bundesstaat Uttarakhand          sein          Antibekehrungsgesetz geändert     und     damit     zu     den     strengsten     des gesamten      Landes      gemacht.      Ein      weiterer Bundesstaat   ist   kurz   davor,   nachzuziehen.   Das macht uns große Sorgen. Sehen   Sie   weitere   Trends   innerhalb   der   letzten Jahre? Die   Gewalt   ist   nicht   mehr   auf   wenige   Regionen beschränkt,   sondern   breitet   sich   geografisch   aus.   Sonntags   kommt   es   zu   den   meisten Angriffen. 2024   wurden   fast   täglich   vier   bis   fünf Vorfälle mit    Christen    gemeldet.   Auch    Erpressungen durch   die   Polizei   und   nichtstaatliche   Akteure nehmen       im       Zusammenhang       mit       den Antibekehrungsgesetzen      zu.      Die      meisten Betroffenen            gehören            marginalisierten Gemeinschaften       an.       Ihre       Kasten-       und Stammeszugehörigkeit   macht   sie   noch   anfälliger für Druck und Gewalt. Sie   und   Ihr   Team   sammeln   seit   Jahren   Berichte über Gewalt gegen Christen. Warum? Die     Kommission     für     Religionsfreiheit     der Evangelischen   Allianz    in    Indien    dokumentiert diese      Vorfälle      seit      1998.      Wir      wollen sicherstellen,   dass   das   Leiden   der   Christen   in Indien   gesehen,   in   Erinnerung   behalten   und angegangen        wird.        Wir        wollen        der Öffentlichkeit,     den     Medien     und     politischen Entscheidungsträgern    genaue    und    verifizierte Informationen    liefern.    Zudem    wollen    wir    den Kirchen    dabei    helfen,    sich    gut    auf    mögliche Vorfälle   vorzubereiten.   Das   machen   wir   durch Schulungen,    Aufklärung    und    Rechtsbeistand. Natürlich stehen wir auch Betroffenen bei. In   einem   der   jüngsten   Fälle   geht   es   um   zwei Nonnen.   Sie   hatten   einige   junge   Christinnen   per Zug     zu     ihrer     neuen     Arbeitsstelle     begleiten wollen.        Ihnen        wurde        Menschenhandel vorgeworfen, und sie landeten im Gefängnis. Dieser   Fall   hat   hohe Wellen   geschlagen,   weil   die Frauen    aus    Kerala    kamen.    Das    ist    eine    der wenigen   christlichen   Hochburgen,   wo   Christen aufgrund    ihrer    Zahl    ein    gewisses    politisches Gewicht    haben.    Der    Fall    war    emotional    sehr aufgeladen.   Dabei   stammten   die   jungen   Frauen aus   christlichen   Familien,   und   diese   hatten   den Nonnen   auch   schriftlich   die   Erlaubnis   gegeben, die   Mädchen   zu   begleiten.   Das   Schlimme   ist: Solche   Fälle   gibt   es   beinahe   täglich   in   Indien. Die Auslöser können ganz banale Dinge sein. Wie   wirken   sich   die   zahlreichen   Berichte   von Gewalttaten auf Sie persönlich aus? Es    ist    zutiefst    schmerzhaft.    Das    sind    keine fernen    oder    anonymen    Geschichten.    Es    sind Geschichten    von    realen    Menschen:    Pastoren, Familien,   Kirchen,   die   verletzt   und   angegriffen werden,    nur    weil    sie    Jesus    nachfolgen.    Ich empfinde    oft    eine    Mischung    aus    Trauer    und Verantwortung,    manchmal    auch    Wut.    Trauer wegen     der     Ungerechtigkeit     und     des     Leids. Verantwortung,   weil   Schweigen   keine   Option ist.    Gleichzeitig   ermutigt   mich   der   Mut   und   der Glaube    vieler    Christen,    die    auch    unter    Druck weiterhin    Gottesdienst    feiern    und    anderen    in Liebe   dienen.   Ihr   Beispiel   und   ihr   Glaube   geben mir Kraft.
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